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Bericht über "Maria Frühling", 73 Jahre alt

Verfasst: So 13. Mär 2016, 20:05
von Miss Excel
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Zitat:
" Maria Frühlings altes Leben endet vor 15 Jahren in ihrer Stuttgarter Wohnung, mitten in der Nacht. Sie wacht auf, weil ihr Herz rast, ihre Lunge brennt und ihre Zunge langsam zu einem Ballon anschwillt. Senkrecht sitzt sie im Bett und schnappt nach Luft. Das Schlafzimmer fühlt sich an wie mit Gift übergossen. Erst in der Küche spürt sie wieder Atem in der Lunge. Die erste Nacht ihres neuen Lebens verbringt sie, hellwach in einem Sessel sitzend, zwischen Spülmaschine und Kühlschrank."

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Zitat:
"Der Umweltmediziner erklärt ihr, dass bei MCS-Kranken das Entgiftungssystem nicht funktioniere. Wo das Immunsystem gesunder Menschen mit der Flut chemischer Stoffe locker fertig werde, kapituliere ihres. Die Giftstoffe lagern sich im Fett- und im Bindegewebe, in der Leber und der Niere ab. Um ihr Immunsystem zu unterstützen, schluckt Maria Frühling Vitamin B12, B6, D3, C, E, Coenzym Q10, Magnesium, Folsäure, Taurin, Ebselen, Glutathion."

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Zitat:
"Heute liest die 73-Jährige ihre Romane nicht mehr durch eine Folie, auch das ist besser geworden. Sie lebt in einer Zweizimmerwohnung am Rande eines Wohngebietes außerhalb der Großstadt. Baubiologen haben ihr die Wohnung so eingerichtet, dass sie darin leben kann.... Ihr Mann ist gestorben.

Vor Jahren schon hat sie sich räumlich vom ihm trennen müssen. Trotz aller Renovierung hielt sie es in der Wohnung nicht mehr aus. Stundenweise besuchte sie ihn in der Stadt, er kochte, und sie aßen auf dem Balkon, bis sie dann wieder fuhr. Ihre Krankheit drängt sie auch räumlich an den Rand der Gesellschaft. Betroffene werden oft für Hypochonder oder Spinner gehalten. Maria Frühling sagt, viele würden plötzlich von Freunden gemieden. „Mich hält zum Glück keiner für verrückt. Meine Freunde, meine Familie, alle glauben mir.“ Sie alle wüssten, dass sie vor jener Nacht eine ganz normale Frau war."

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Zitat:
"Maria Frühling sagt, ihr gehe es vergleichsweise gut. Andere Betroffene würden im Keller, in der Garage, im Wohnwagen oder im Wald leben. Angst habe sie trotzdem, auch vor dem Alter. Es gebe keine Seniorenheime, die auf MCS-Kranke oder elektrosensible Menschen eingestellt seien, sagt sie. Wo soll sie hin, wenn sie nicht mehr für sich selbst sorgen kann?"